VPN: Visa und MasterCard auf Dummkurs

Wie man in den letzten Tagen vermehrt im Netz lesen konnte, lehnen die beiden Herausgeber von Kreditkarten – Visa und MasterCard – die Zusammenarbeit mit VPN-Anbietern ab. Es soll wohl künftig nicht mehr möglich sein, das Angebot bei einem oder bestimmten Anonymisierungs- bzw. VPN-Diensten, mittels Kreditkarte von den beiden Anbietern zu bezahlen. Zumindest wurde der schwedische Kooperationspartner „Payson“ angewiesen, keine Zahlungen an Anonymisierungs- bzw. VPN-Dienste mehr zu verarbeiten. Eine Schande wie ich finde…
So ein VPN-Anbieter wird von unserer Gesellschaft und ganz besonders von diversen „Sicherheitsbehörden“ meist als Sprungbrett zu illegalen Tätigkeiten bezeichnet. Man geht davon aus, dass jeder Nutzer eines Anonymisierungsdienstes grundsätzlich ein gesuchter Schwerverbrecher ist, der sich nur aus diesem Grund anonym im Netz bewegt. Warum sollte man auch anonym im Internet tätig werden, wenn man denn nichts zu verbergen hat?! Besonders Herr Uhl wird nun nickend mit seinem Windows 95 vor dem Neuland sitzen und diesem Absatz voll und ganz zustimmen.
Klar, wer die Vorteile eines VPN-Anonymisierungsdienstes nicht kennt und sich seine technischen Informationen grundsätzlich aus dem RTL-Mittagsfernsehen aneignet, der wird nicht hinter das Mysterium der Anonymisierung im Internet blicken und bereits bei den drei Buchstaben „VPN“ aus der Unterhaltung aussteigen. Auch als Sicherheitsbehörde muss man VPN-Dienste grundsätzlich als schlecht erklären, denn man möchte ja schließlich die neuen Staatstrojaner ausprobieren und durch andere, geisteskranke Ideen der Technik, möglichst viele Daten abfangen können, ohne von einem fiesen VPN-Anbieter dabei gestört zu werden. Für die RTL-Mitarbeiter und Sicherheitsbehörden unter den Lesern, möchte ich nun nicht weiter zur Technik „VPN“ ausholen, sondern biete eine Informationsquelle, die sicherlich jegliche Fragen beantwortet: Hier gucken (Für Herrn Uhl: Man kann diesen Link mit der Maustaste anklicken)
Wer nutzt eigentlich solche Dienste und warum?
Natürlich stimmt es sicherlich, dass die meisten Internet-Bösmenschen einen Anonymisierungsdienst nutzen, um Unfug im Netz zu treiben. Ich gehe aber jede Wette ein, dass es längst nicht alle Kunden der VPN-Anbieter sind, die illegale Tätigkeiten über das anonyme Surfen genießen. Viele Menschen haben einfach bereits begriffen, dass so ein Anonymisierungs- bzw. VPN-Dienst auch viele sicherheitsrelevante Vorteile bietet. So werden zum Beispiel viele Angriffe auf den Nutzer, bereits beim VPN-Anbieter abgefangen und der allgemeine Schutz vor Übergriffen stark erhöht. Das anonyme Surfen im Netz bietet natürlich auch den Vorteil, dass man seine Privatsphäre und persönlichen Informationen – eben genau vor diesen Bösmenschen – schützen kann. Ein Angreifer kennt die reale IP des Nutzers nicht, weiß nicht welchen Browser er verwendet und ob dieser ggf. eine Schwachstelle hat und er hat es auch nicht so leicht, Malware auf den Rechner zu schleusen, sofern der Datenverkehr zusätzlich gefiltert wird. Anmerkung: Die technischen Vorteile sind natürlich auch vom jeweiligen Anbieter abhängig. Ich werfe lediglich Beispiele in den Raum.
Klar, auch der pornosüchtige Karl aus Bielefeld wird den Vorteil eines VPN-Dienstes erkannt haben. So kann er sich gemütlich seinem Hobby unterwerfen ohne Angst haben zu müssen, dass zum Beispiel durch externe Werbeeinblendungen und Tracking, der Betreiber des Werbenetzwerks weiß, dass der Kunde Karl XYZ aus der Musterstraße 1 in Bielefeld, eigentlich bei Facebook als „verheiratet“ geführt wird, gerne lange auf Pornoseiten unterwegs ist, sich 3 Tage vorher bei einer Seitensprungwebsite Kontakte vermitteln ließ und den Tag zuvor noch Rosen für die Frau bestellt hat. Einige christliche Leser werden nun aufschreien: „Aber seine Frau betrügen ist doch auch eine schwere Straftat!“. Ja, es ist vielleicht nicht richtig was er macht, aber hat der VPN-Anbieter die Schuld daran zu tragen? Nein! Ebenso wenig kann er verantworten, dass Nutzer seines Dienstes damit Unsinn treiben. Vielleicht sollte man darüber mal nachdenken.
Das Nutzen eines Anonymisierungs- bzw. VPN-Dienstes ermöglicht also mehr Sicherheit und Schutz, wenn man sich im Internet bewegt. Selbstverständlich wissen dies auch unsere Sicherheitsbehörden, darum sind die internetfähigen Geräte bei der Polizei, dem Zoll und auch den Arbeitsagenturen, Finanzämtern usw. in der Regel nicht direkt an das Netz angebunden, sondern werden über zentrale Proxy-Systeme ins Internet verbunden. Ein ähnliches Prinzip, welches ebenso den Schutz vor Angriffen und natürlich der Identität des Beamten ermöglicht. Wenn also ein Polizist bei Ihnen schnüffeln möchte, der Finanzbeamte mal eben einen Blick auf Ihre geschäftlichen Websites wirft oder die Arbeitsagentur auf Adressenjagd geht, dann sehen Sie meist nur einen zentralen Server als Absender der Anfrage. Sie können weder die Herkunft, noch die Identität des Beamten feststellen – er kann also quasi anonym bei Ihnen spionieren. Im Gegenzug sieht es unsere Regierung aber gar nicht gerne, wenn sich Privatmenschen ebenfalls derartige Technik bzw. Dienste anschaffen, um die gleiche Sicherheit genießen zu können. Wer in den vergangenen Wochen die geisteskranken Vorgänge in unserer Politik und besonders die Vorhaben der Sicherheitsbehörden beobachtet hat, der weiß ganz sicher auch, warum man derartige Dienste am liebsten verbieten würde.
Kreditkartenanbieter schaden sich selbst
Warum aber gerade die Anbieter von Kreditkarten nun komplett das erarbeitete Gehirn abschalten und VPN-Anbieter für böse Hacker-Freunde erklären, denen man die eigenen Dienste nicht anbieten möchte, kann ich beim besten Willen nicht verstehen. Denn abgesehen von der Tatsache, dass diese Art des Vorgehens eine grundsätzlich illegale oder moralisch verwerfliche Tätigkeit der VPN-Anbieter unterstellt, ziehen sich auch Kreditkartenanbieter und Banken einen großen Vorteil aus Anonymisierungs- bzw. VPN-Diensten. Ein Internetnutzer der eine Kreditkarte besitzt und Daten darüber auf dem PC gespeichert hat (ja, es gibt solche Fälle), erhält durch das Nutzen eines VPN-Dienstes mehr Schutz vor einem Übergriff auf seine Kreditkartendaten. Zudem bieten VPN-Dienste oft auch die Möglichkeit, Datenverkehr zu prüfen, um dem Nutzer einen möglichen Betrug zu alarmieren. Auch Banken haben den Vorteil, dass ihre Kunden mehr Schutz genießen. So wird durch eine verschlüsselte Verbindung auch das Abhören von sensiblen Informationen im lokalen Netzwerk unterbunden. Man kann sich quasi in einem offenen W-LAN (Gaststätte, Hotel, …) bewegen und trotzdem Bankgeschäfte erledigen, denn die Verbindung wird vom Rechner bis zum Anonymisierungsdienst komplett verschlüsselt übertragen. Als Kreditkartenanbieter oder Bank sollte man eigentlich derartige Dienste unterstützen, statt sie abzustrafen. Immerhin dienen sie auch dem Schutz der eigenen Kunden und sorgen somit für indirekte Einsparungen im Sicherheitsbereich der Unternehmen.
Da sich die letzten Monate aber gezeigt hat, wohin die Reise geht (Kontrollwahn, Lauschangriffe, staatliche Spionage, Datenflut mit Speicherwahn, …), kann ich mir persönlich vorstellen, dass bei dieser Vorgehensweise auch Regierungen die Fingerchen im Spiel hatten. Wir bewegen uns immer mehr in eine abhörwahnsinnige Diktatur, da sind solche Anonymisierungsdienste ja bekanntlich unpraktische Spielverderber. Sehen wir mal zu, was uns die Zukunft bringt. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass diese Aktion nicht ohne Nachspiel sein wird. Wie wir ja alle wissen, hat sich PayPal damals in Sachen Wikileaks einen ordentlichen Ärger eingefangen. Mal sehen wie die Netzgemeinde auf die Anti-Anonym-Kur von Visa und MasterCard reagieren wird.
Und jetzt?
Wer bisher seinen VPN-Dienst mit seiner Kreditkarte bezahlt hat, kann bei vielen Anbietern aber aufatmen. Es gibt sehr viele Anonymisierungsdienste, die auch alternative Zahlungsmöglichkeiten bieten. Da wären typische „Zahlkarten“ (ähnlich den Aufladecodes für Prepaid-Mobilfunk) oder auch Zahlungsmittel wie „Bitcoins“ & Co. Nur weil Kreditkartenanbieter anfangen zu spinnen, muss man nicht auf seinen VPN-Dienst verzichten. Ich für meinen Teil werde nun erstmal mein Abo anonym verlängern.