Lovoo – Wie man gezielt manipuliert wird

Lovoo – Wie man gezielt manipuliert wird

Hinweis vom 18.09.2015: Da sich in den vergangenen Monaten einige Dinge getan haben – was den Betrugsverdacht bei LOVOO angeht – sollte man sich den aktuellen Report zum Thema durchlesen. Diesen findet man in der aktuellen Ausgabe vom „c’t Magazin“ (21/2015). Hier ein kurzer Beitrag zum Hintergrund – Ursprünglicher Beitrag: Heute nehme ich mir eine Angelegenheit vor, die schon seit einiger Zeit auf meinem Tisch liegt. Seit Monaten beobachte ich das Verhalten verschiedener Anbieter sogenannter „Dating-Apps“ und Portale zur Partnersuche. In der Vergangenheit hat man bereits häufig über die Abzocke der Nutzer solcher Angebote berichtet. Wie ich in den vergangenen Monaten feststellen konnte, hat Lovoo hier anscheinend ein ganz ausgefuchstes System laufen, welches die Nutzer der App, zu einem Abonnement oder Premiumzugang überreden soll.

Um sicher zu gehen, dass es kein Einzelfall ist, wurden mehrere Profile über einen längeren Zeitraum angelegt und in – aus meiner Sicht – typischem Verhalten genutzt. Da ohnehin meist nur männliche Nutzer von der Abzocke betroffen sind, um möglichst viele weibliche Mitglieder in der Plattform zu behalten, wurde zunächst nur die Vorgehensweise gegenüber der männlichen Nutzer analysiert. Was ich dabei feststellen durfte, lässt mich mit nachvollziehbaren Grund den Begriff „arglistige Täuschung“ in den Raum werfen, wenn man nicht schon von gewerbsmäßigen Betrug sprechen kann. Aber zunächst werfen wir doch einfach einen Blick in die Fakten.

Lovoo gilt seit längerer Zeit als einer der größten „Player“ am Markt für Partnerbörsen. Der Anbieter setzt auf Apps für Mobilgeräte und bietet auch eine Plattform im Internet an, die man ganz normal mit dem PC nutzen kann. Die Funktionen sind relativ identisch, so dass sich der Leistungsumfang zwischen App und Web nicht unterscheidet. Auch das System hinter dem System scheint einheitlich zu laufen. Wer Lovoo nutzen möchte, kann sich online auf der Website des Anbieters registrieren oder auch die App herunterladen und das Angebot ausschließlich auf dem Mobilgerät nutzen.

Bei Lovoo gibt es – wie auch bei anderen Anbietern – ein Credit-System oder auch Punkte-System, bei dem man für bestimmte Aktionen seine gekauften oder angesammelten Credits eintauschen kann. So auch zum Beispiel, um die eigenen Profilbesucher [3] erkennbar zu machen (Name und Foto sind standardmäßig verschleiert) oder auch um den Benutzernamen und das Bild von Personen erkennbar zu machen, die den Nutzer attraktiv finden [4]. Die benötigten Credits kann man bei Lovoo in Paketen kaufen [1]. Zusätzlich zum Credit-System gibt es die VIP-Mitgliedschaft, bei der man bestimmte Funktionen der Plattform nutzen kann. Die VIP-Mitgliedschaft kann man für einen oder mehrere Monate abonnieren. Die Preise sind – wie üblich – relativ hoch für die Gegenleistungen. Grundsätzlich kann man Lovoo auch kostenlos nutzen, ohne ein Abo zu bestellen oder Credits zu kaufen. Doch was tun, wenn sich die „Free-User“ noch nicht überzeugen lassen, die Premiumdienste zu buchen oder Credits zu kaufen? Lovoo zeigt es…

Zunächst ist man als neuer, registrierter Nutzer der Plattform noch in der „Schonzeit“ und wird zunächst durch die Funktionen geführt. Registriert man sich über die installierte App, dann geht dies recht zügig. Notwendige Daten müssen eingegeben werden und schon kann es los gehen. Um einen möglichst guten Eindruck zu bieten, kann man sein Profil verifizieren lassen. Dazu schreibt man einen – von der App vorgegebenen – Code auf einen Zettel und macht mit seinem Smartphone einen „Selfie“, der dann über die App hochgeladen und zur Prüfung eingereiht wird. Anschließend wird das Bild überprüft und der User als verifiziertes Mitglied markiert, wenn Gesicht und Code passen. Dies dauert in der Regel einige Stunden, was mir bei der Recherche sehr gelegen kommt (dazu gleich mehr).

Als kleines Lockmittel bekommt man bei Lovoo für den täglichen Login in die Plattform ein paar Credits gutgeschrieben. Derzeit erhält man für das erste Einloggen innerhalb eines Tages ganze 5 Credits auf sein Punktekonto. Das mag nun als „nettes Geschenk“ erscheinen, jedoch hat dies System. Der Benutzer soll so eine gewisse „Bindung“ zu Lovoo aufbauen und immer wieder auf die Credits aufmerksam gemacht werden. Zusätzlich dienen die geschenkten Credits, um den User ganz gezielt zu manipulieren. Er soll ja schließlich auch bald ein paar Credits kaufen. Und das macht der Nutzer nur dann, wenn sie ihm plötzlich ausgehen und er es ja gewohnt ist, Profilbesucher zu „entschlüsseln“. Nun kommen wir zum eigentlichen, interessanten Teil dieses Beitrags…

So wird man bei Lovoo gezielt manipuliert:

– Benachrichtigungen durch die App
Hat man die App auf seinem Smartphone installiert, dann erhält man immer wieder Benachrichtigungen über Profilbesucher und über andere Mitglieder die einen mögen oder auch attraktiv finden. Zudem bekommt man immer wieder Aufforderungen die App zu öffnen, da ja gerade sehr viele attraktive User in der Nähe sind. Je seltener man die App oder Plattform nutzt, desto mehr wird man mit Benachrichtigungen bombardiert. Hier setzt Lovoo auch ganz gezielt auf die Neugierde des Nutzers. So werden zunächst bei Benachrichtigungen über den Bereich „Mögen dich“, nur verschleierte Namen angezeigt. Ist man ein paar Tage nicht eingeloggt gewesen, werden diese Namen kurz entschlüsselt. Dies treibt dazu an, die App dann doch noch zu öffnen. Doch das ist leider häufig völlig unnötig, denn meist existieren diese Mitglieder gar nicht.

– Besucher bzw. Mitglieder die gar nicht existieren
Sehr oft passiert es, dass man eine Benachrichtigung von der App erhält, die attraktive Mitglieder zeigt und behauptet, dass einen diese Mitglieder mögen bzw. attraktiv finden oder das Profil besucht haben. Tippt man auf diese Benachrichtigung, dann öffnet sich die App und zeigt für etwa eine Sekunde genau diese Mitglieder in der „Mögen dich“ Liste oder der Übersicht der Profilbesucher. Danach verschwinden sie sofort und man kann nicht mehr nachvollziehen, welche Mitglieder es waren. Hierdurch wird der Nutzer lediglich genötigt, die App zu öffnen. Auch eine genauere Suche in der Liste aller Mitglieder bringt kein passendes Ergebnis.

– Profile die erst seit Sekunden registriert sind
Das Anlocken des Nutzers die App zu öffnen, ist noch nicht unbedingt schlimm. Wenn man aber ein wenig bei Lovoo unterwegs ist stellt man fest, dass es eine ganz bestimmte Methode gibt, um dem Nutzer seine Credits zu entlocken. Häufig bekommt man Benachrichtigungen über Profilbesucher und Mitglieder die einen mögen. Um dann die Namen und Bilder der Mitglieder freischalten zu können, muss man Credits einlösen. Was aber, wenn die freigeschaltenen Mitglieder dann gar nicht wirklich existieren oder vom System nur generiert werden, um dem Nutzer die Credits abzuzocken? Sie haben richtig gelesen: Lovoo generiert Mitglieder, die nur dazu da sind, das Profil des Nutzers zu besuchen oder diesen attraktiv zu finden, um dann mit Credits freigeschalten zu werden. Besonders häufig passiert dies, wenn der Nutzer nur noch wenige Credits zur Verfügung hat. Hat man gerade ein Mitglied freigeschalten und dabei seine letzten Credits benutzt, erhält man wenige Sekunden später sofort eine Benachrichtigung, dass Mitglied XYZ einen attraktiv findet. Hier wird der Nutzer ganz gezielt dazu genötigt, sich Credits zu kaufen. Dies lässt sich problemlos nachweisen, wenn man die Benutzer in der Umgebung regelmäßig extern abgleicht und die verschleierten Profile zuordnet. So findet man ganz schnell die Profile, die einen mögen und man stellt fest, dass diese erst seit Sekunden registriert sind, aber schon „Verifiziert“ Status tragen, das Profil jedoch zu 0% ausgefüllt und meist nur ein einziges Bild vorhanden ist. Schreibt man diese Mitglieder indirekt an, so kommt grundsätzlich keine Reaktion.

Zugegeben war es etwas schwierig, bezüglich der Fakes und automatisch generierten Mitglieder, eine klare Information zu erhalten, um Lovoo die Manipulation vorwerfen zu können. Immerhin sind Millionen von Nutzern registriert und man kann nur einen Teil davon automatisiert prüfen. Es ist mir allerdings gelungen, zumindest den Umkreis genauer zu betrachten und jeweilige Datensätze zu überwachen, so dass ich klar und deutlich von Fake-Mitgliedern sprechen kann, die höchstwahrscheinlich von Lovoo generiert werden, um den Nutzer zu manipulieren. Nur Lovoo hat ein Interesse daran, den Nutzer in dieser Art zu täuschen. Denn nur so wird der Nutzer zum Kauf von Credits überredet.

– Credits für besondere Angebote & Werbung
Weil man als Nutzer nur ungern Credits kaufen möchte und die täglichen Credits nicht gerade viele Aktionen ermöglichen, bietet Lovoo – wahrscheinlich aus purer Menschenliebe – besondere Möglichkeiten, sich Credits zu verdienen. Hierzu kann der Nutzer ein paar vorgeschlagene Apps herunterladen, irgendwelche Datenkraken mit Informationen befüllen oder Lovoo bei Facebook posten lassen. Natürlich ist es nicht verwerflich, einem Nutzer solche Angebote zu unterbreiten. Allerdings bekommt das Ganze ein anderes Bild, wenn man die Sache mit den Fake-Mitgliedern bedenkt. Man installiert Apps und verscherbelt seine Daten für ein paar Credits, die dann gleich wieder von Lovoo (durch Fakes) einkassiert werden. In meinen Augen eine gezielte, automatisierte Profit-Maschinerie.

– Prominente Menschen als Lockmittel
Kein anderer Anbieter versteht sein Geschäft so gut wie Lovoo. Um möglichst viel Vertrauen bei neuen Nutzern zu wecken, werden bekannte Persönlichkeiten dazu angestiftet, die App zu empfehlen. Sei es nun über Facebook, YouTube, Twitter oder in Interviews. Ein Beispiel wäre da „Kim Gloss“, die – natürlich ganz von sich selbst aus (haha…) – eine Empfehlung bei Facebook ausgesprochen und auch anderweitig für Lovoo geworben hat.

 

Kann man denn nun Lovoo sorglos nutzen?

Ja, man kann. Allerdings sollte man seine Aktionen auf die kostenfreien Funktionen begrenzen. Profilbesuchern sollte man keinerlei Beachtung schenken. Ebenso die Liste der Mitglieder bei „Mögen dich“ kann man außer Acht lassen. Zudem sollte man die Benachrichtigungen ignorieren, sofern es sich nicht um Nachrichten (Chats) anderer Mitglieder handelt. Man kann problemlos im Umkreis nach interessanten Singles suchen und diese Mitglieder auch mittels Chatsystem anschreiben. Wenn man aber nicht gerade scharf auf kostenpflichtige Abonnements oder Credits ist, dann sollte man sich nicht von seiner Neugierde überreden und täuschen lassen.

Ich empfehle jedoch grundsätzlich den Gang an die frische Luft, an öffentliche Orte oder auf Veranstaltungen. Hier lernt man Menschen sogar im Reallife – also ganz analog – kennen und muss keine Credits einlösen, um Gesichter sehen oder Namen erfahren zu können. In diesem Sinne, Cheers!

 

[1] Credits kaufen – Preise in der Übersicht

[2] VIP-Mitgliedschaft – Preise in der Übersicht

[3] Profilbesucher müssen freigeschalten werden

[4] „Mögen dich“ Profile müssen freigeschalten werden